Wir haben es schon die ganze Zeit gewusst. Und dennoch schockt mich der heute in Valencia veroeffentlichte UNO-Klimabericht auf eine ganz merkwuerdige Art und Weise, und das liegt nicht daran, dass die Klimaanlage in unserem saudischen Buero mal wieder voellig uberdreht ist. Nein, zum ersten Mal stelle ich mir persoenlich die Frage: und was wird dann aus mir?
Im Grund steht diese egozentrische Frage „und was wird dann aus mir“ bei fast allen unseren persoenlichen Entscheidungen im Vordergrund. Daher ist vermutlich auch das Woertchen „ich“ das meistgesprochenste Wort der Welt. Nur in den Momenten tiefer Hoffnungslosigkeit verlassen wir die Ichbezogenheit und folgen dem Motto „geteiltes Leid ist halbes Leid“. Die duesteren Szenarien ueber Wirbelstuerme, Ueberflutungen, Superduerren und Aussterben von Lebesformen auf unserem Planeten sind dann zwar immer noch furchtbar; aber zumindest wird es den anderen dann auch nicht besser gehen. Oder doch?
Und was wird dann aus mir? Tja, dummer Weise habe ich als Consultant angefangen heute weniger ueber Kundenprobleme als vielmehr ueber mein eigenes Schicksal genauer nachzudenken und finde nicht sofort eine passende Loesung. Bei mir in Saudi Arabien ist schon fast alles Wueste. Schlimmer kann es kaum werden. In meiner Heimatstadt Koeln wuerde eine Sinflut bliblischen Ausmasses sehr wohl die Landschaft radikal ausloeschen. Ich vertreibe die spontanen Gedanken.
Verdammt…Du weisst, dass es Dich eines Tages treffen wird, aber Du kannst offensichtlich nichts dagegen unternehmen. Vielleicht passiert es mir ja so wie dem Frosch, der in einem Topf mit Wasser sitzt und die nur langsam steigende Temperatur erst dann merkt, als es schon zu spaet ist. Wie konnte es nur dazu kommen? Ich habe schon meinen Eltern vor 30 Jahren gezeigt, wie sie Altpapier und Flaschen sammeln sollen. Okay, ab und zu bin ich zu meinen Kunden ueber 200 km/h schnell gefahren, weil ich sonst zu spaet zu meinem interkulturellen Seminar gekommen waere. Das eine Mal…Erst jetzt faellt mir ein, dass ich bei diesem Tempo nicht der einzige auf der linken Spur war. Von dem Porsche, der mich rechts mit Tempo 250 ueberholt hat, ganz zu schweigen. Wir haben alle unseren kleinen und grossen Beitraege fuer das geleistet, was heute Klimawandel heisst.
Was hat aber nun der Dialog der Kulturen mit dem Thema Klimawandel zu tun? Alles! Denn je groesser unsere Ignoranz gegenueber der Natur ist, desto weniger werden wir auch mit den Menschen anderer Kulturen kommunizieren. Der Klimawandel wird zu einem Barometer unseres interkulturellen Daseins. Die dramatische Veraenderung der Natur und nicht irgendwelche Rohstoffkriege zwingen uns aber nun definitiv, grenzueberschreitend miteinander zu sprechen oder fuer immer zu schweigen. Der Klimawandel ist blind fuer die Farben der Religionen und Reisepaesse der Menschen. Es wird uns alle treffen, egal ob wir uns in der Wueste oder im Koelner Dom verstecken.
Aber noch koennen wir versuchen, die Wucht des Klimawandels gemeinsam abzufedern. Dazu bedarf es als erstes eines systemischen und selbstkritischen Bewusstseins. Mit dem nackten Zeigefinger auf die Umweltsuenden in China hinzuweisen ohne dabei die Sogwirkung von Preisdumping und Massenkonsum in den westlichen Industrielaendern zu sehen ist nur eine Spielart unserer Doppelmoral.
Umweltschutzdenken hat alle Zutaten fuer ein kultur- und religionsuebergreifendes Weltbewusstsein – wenn nicht sogar Ansaetze fuer eine neue Religion. Dabei braucht sie keine Ideologie und gelehrte Interpreten, die sagen, was gut und was boese ist. Es ist ein Dialog mit der Natur, der moeglicher Weise uns alle zurueck zu einem natuerlichen Dialog mit anderen Kulturen bringen wird. Wenn nicht, werden wir alle die Folgen unserer „Taten“ wie auch unseres „Nichtstuns“ noch zu Lebzeiten erfahren und koennen sie via Satellitenfernsehen in den Hochwassergebieten von Bangladesh schon heute abend zur Primetime anschauen.
Und wann sind wir dran?